10.05.2015 bis 19.05.2015
Skipper: Thomas Rosche
SY Njörd
zwei Hafentage, 385 SM.

Nachdem ich Anfang April d.J. die „Njörd“, eine Emka 29 des Baujahrs 1982 erworben hatte, sollte Mitte Mai die Überführung von Brodersby an der Schlei nach Berlin erfolgen. Da ich keinem Mitsegler die kalte Witterung und die Abenteuer auf einem alten, völlig fremden Schiff zumuten wollte, fuhr ich allein. Das war ein guter Entschluss, weil sich vermutlich jeder Mitsegler unterwegs schreiend verabschiedet hätte.

10. Mai: Übergabe in der Marina Brodersby, Funktionstüchtigkeit überprüft und festgestellt. Noch am Nachmittag / Abend die Schlei 15 SM motort bis Maasholm. Dort sehr zufrieden angekommen und zuviel Rotwein getrunken.

Am 11. Mai früh um 07:00 Uhr gestartet. Hatten wir die letzten Tage Westwind in moderaten Stärken, war heute kalter Ostwind 5-6. Also gegenan bis Fehmarn. Eine hohe Welle baute sich erstaunlich schnell auf und es war ordentlich Bewegung im Schiff. Begünstigt durch einen leichten Kater vom Vorabend und zweijährige Abstinenz beim Seesegeln kam eine leichte Seekrankheit auf, was der Stimmung an diesem kalten und trüben Tag nicht gut tat.

Kurs Fehmarn wollte beim besten Willen nicht anliegen, so wurden bei langen Kreuzschlägen bis in den Kleinen Belt aus den 45 SM direkter Weg insgesamt 70 SM. Einlaufen gegen 21:00 Uhr in Orth. Zu erschöpft, um noch beim Griechen essen zu gehen, was dort eigentlich zur Tradition gehört. Stattdessen reichlich Wasser aus dem Schiff entfernt, was durch die Toilette bei Schräglage ins Boot kam. Der nasse Teppichboden ist verklebt und kann nicht einfach entfernt werden, also die nächsten Nächte in der Kajüte nicht nur kalt, sondern feuchtkalt. Stimmung tendiert gegen den Nullpunkt.

12. Mai: Um 08:00 abgelegt und nach der Passage der Fehmarnsundbrücke den Kurs auf Warnemünde abgesteckt. 45 SM hart am Wind, Kurs kann aber bei Windstärke 6 halbwegs angelegt werden. Nach ca. 3 Stunden quittiert der Pinnenpilot den Dienst, Antriebsritzel gebrochen, Totalausfall für den Rest der Fahrt. Der Kurs brachte mich etwa 4-5 SM SW von Warnemünde, und da Sturm mit bis zu 8 Bft angesagt war, wollte ich nicht mehr aufkreuzen sondern Motoren. Nach ca. 20 Minuten starb der Diesel ab, am Glas des Vorfilters wurde die Ursache schnell deutlich: Dieselpest. Unter den herrschenden Windbedingungen war ein Anlegen unter Segeln nicht möglich, es fanden sich dankenswerterweise 4 junge Leute in einem starken Schlauchboot, die mich im Alten Strom an die Spundwand schleppten. Kaum war ich dort, brach das Unwetter herein und ich lag dort sehr unruhig, so ging es die ganze Nacht durch.

13. Mai: Beim unfreundlichen Volvo-Service Tankreinigung und Wechsel beider Kraftstofffilter durchführen lassen, gegen 16:00 Uhr war das Boot wieder klar. Den ganzen Tag bei Sturm sehr unruhiges Liegen.

14.Mai: Auslaufen 06:00 Uhr. Beim Ablegen bin ich gerade an allen Leinen los, als der Motor erneut abstirbt. Ein Anlegen ohne Hilfe an der unruhigen Spundwand ist unmöglich, also unter Segeln ausgelaufen. Obwohl der Wind bei Stärke 5-6 Bft nun endlich passt, wird es wieder weit. Direkter Weg Warnemünde bis Stralsund sind ca. 60 SM. Und die ganze Zeit den unschönen Gedanken im Kopf, am Ziel wieder nicht zu wissen, wie man in den Hafen kommt. Ich rufe den Verkäufer an und mache meinem Ärger Luft. Er erklärt sich trotz des günstigen Kaufpreises bereit, die Kosten für die Reparatur und einen Teilbetrag für den Autopiloten zu ersetzen. Hochanständig. Da ich ohne Autopilot bin, will ich bereits ca. 10 SM vor Hiddensee die Genua einreffen – die erst 2 Jahre alte Furlex klemmt. Mit dem Großsegel und gelaschter Pinne das Boot provisorisch beigelegt und mit Werkzeug auf das äußerst unruhige Vorschiff mit donnernd flatternder Genau. Immer wieder bis über die Knöchel unter Wasser. Während ich dort angestrengt arbeitete, taucht die größte von mir jemals gesehene Schule Schweinswale auf, bestimmt 20 Tiere. Sie blieben ungewöhnlich lange, vielleicht, weil das Boot keine normale Fahrt durchs Wasser machte. Schade, dass ich keine Zeit hatte, die Situation zu genießen. Nach ca. 20 Minuten gab ich auf und barg die Genua. Das Laschen an die Reling war bei diesen Bedingungen alles andere als perfekt. Nur mit dem Groß ging es dann bis Stralsund. Im geschützten Revier und bei halbwegs passendem Wind war es zu meiner Überraschung möglich, gegen 20:00 Uhr in den Stadthafen zu segeln und dort mit nahezu perfektem Aufschießer (Zufall) in einer der großen Boxen festzumachen.

15. Mai: Der angeforderte Dieselmechaniker kann erst ab Mittag kommen. Ich nutze die Zeit zur Reparatur der Furlex und baue eine alte Dieselheizung aus dem Motorraum aus, um mehr Platz zu schaffen. Nach dreistündiger Fehlersuche stellt sich heraus, dass die Dichtung des neuen Dieselvorfilters nicht richtig sitzt und der Motor Luft zieht. So viel zu teurer Facharbeit.

16. Mai: Mit Brückenöffnung um 08:00 erneut einen langen Schlag begonnen, ca. 60 SM bis Swinemünde. Bei zunächst 3-4, später 4-5 Bft aus W den ganzen Tag an der Pinne gesessen. Obwohl es kalt und grau war, mit zwei Schichten Fleece und Ölzeug der erste Segeltag ohne kleine und große Katastrophen. Gegen 20:00 Uhr fest in Swinemünde.

17. Mai: Nach Öffnen der Tankstelle um 08:00 Uhr Kraftstoff aufgefüllt und durch die Kaiserfahrt motort. Im Haff dann 6-7 Bft, Rauschefahrt unter stark gerefften Segeln. Der Wind reicht, um die Oder bis zur Marina Goclaw flott hinauf zu segeln. Ankunft nach ca. 35 SM gegen 16:00 Uhr. Krantermin für den nächsten Morgen 08:00 Uhr abgesprochen und das Boot bis spät abends auf das Mastlegen vorbereitet.

18. Mai: Gegen 10:00 Uhr mit verzurrtem Mast abgelegt. Seit der letzten Reparatur läuft der Diesel wie ein Uhrwerk, langsam baut sich wieder Vertrauen auf. An der Schleuse Hohensaaten einige Zeit gewartet und dann am Hebewerk Niederfinow gegen 22:00 an der Wartestelle für Sportboote festgemacht in der Erwartung, die Nacht dort zu verbringen. Kaum ist das Essen warm, kommt überraschend das Angebot, mich mitzunehmen. Also schnell losgeworfen und ganz allein in den Topf eingefahren. Lässig festgemacht, noch lässiger wieder an Bord gegangen und mit dem Fuß in der Reling hängen geblieben. Beim Sturz auf das Kajütdach den Handballen durch einen Tenax-Knopf lang und klaffend breit aufgerissen. Die junge Chefin des Hebewerks hatte es beobachtet und leistet Erste Hilfe in Form eines dicken Verbandes. Dazu wurde der Topf mitten auf dem Wege angehalten und erst weiterbewegt, als ich verarztet war. Ich bin der Dame sehr dankbar. Nach Ausfahrt aus dem Topf an der Sportbootwartestelle festgemacht. Das Essen war kalt, mir war aber auch der Appetit vergangen. Die halbe Nacht vor Schmerzen kein Auge zubekommen.

19. Mai: Weiterfahrt ab 07:00 Uhr. Verband ist durchgeblutet, die Hand nicht zu gebrauchen. Also die anspruchsvolle Schleuse Lehnitz nicht nur solo, sondern buchstäblich mit links. Danach der Gedanke, dass jetzt nichts mehr passieren kann. Irrtum: hinter der Abzweigung zum Oranienburger Kanal lag ein Boot der WSP zum Zwecke der Kontrolle aller Sportboote. Mein Boot hatte noch kein Kennzeichen (kam ja nicht aus einem Binnenrevier) und es waren 30 Euro fällig. Im Spandauer Nordhafen wartete meine Frau, die mich nach kurzem Blick auf den Verband sofort zu unserem Arzt schickte. Nach Behandlung der Wunde und Immunisierung noch die Schleuse Spandau und gegen 19:00 Uhr lag die „Njörd“ in ihrem neuen Heimathafen SVUH.


 

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